Geständnis. Ich bin fußballbehindert.
Freunde, die Welt scheint sich augenblicklich nur noch um Fußball zu drehen.
Fußballbilder im Haferflockenpaket, auf dem Joghurt, auf Unterwäsche,
vermutlich auch auf Kondomen und Slipeinlagen, kein Lebensbereich scheint vor Fußball-Abbildungen geschützt zu sein.
Es wird, je näher diese WM rückt, schlimmer für mich.
Eine schwere Zeit für Menschen,
die mit der Behinderung des Fußballunverstandes leben müssen.
Ich war als Junge beim Schulfußball meist derjenige, den man
als Übriggebliebenen in die Mannschaft nehmen musste.
Dabei bin ich durchaus flink, überhaupt nicht unsportlich, auch nicht "füllig" oder gar langsam. Ich mache mir einfach nur nichts aus Fußball. Er erreicht mich nicht.
Das einzige Tor meines Lebens schoß ich mit 8 oder 9 Jahren beim Schulsport.
Und war bejubelter Held für Sekunden nur. Unvergessen für mich. Bis heute.
Der Versuch, mir merken zu wollen, wo Bayern München steht und wer wieviel Ablöse bekommt, wer wo Trainer ist, und wann er gefeuert wurde, scheitert schon im Ansatz. Ich kann es nicht.
Auch die bestimmt wichtigen Lebensweisheiten des einzig wahren Kaisers der Neuzeit erreichen mich nicht.
Die tollsten Mannschaften der Welt könnten heute abend auf meiner Fensterbank spielen. Ich würde die Rollläden herunterlassen.
Nicht, dass ich etwas gegen Fussball habe:
ich finde einfach keinen Draht zu diesem Sport.
Und ich bitte schon jetzt alle, die mich kennen, um Entschuldigung, wenn ich nicht mitreden kann, wenn es dann soweit ist.
Ich bin dann vermutlich der einzige Nicht-Bundestrainer.
Ich fürchte, mir droht während der WM die Vereinsamung
Obwohl: ich will gerne versuchen, mitzufiebern, wenn man mir nur rechtzeitig sagt,
dass es sich auch um ein WICHTIGES (!) Spiel handelt.
Aber fragt mich bitte nicht am nächsten Tag nach dem Ergebnis und welche Mannschaften da gespielt haben.
An die Farben ihrer Turnanzüge werde ich mich vielleicht doch erinnern können.
lo
SPIEGELei - Do, 6. Apr, 14:32